Wie kann ich warten und leben?
Warten leben.
Warten und leben fällt mir oft sehr schwer.
Wenn ich weiß, dass etwas sein wird, möchte ich meist, dass es gleich ist, wenn es um Entscheidungen oder Ergebnisse geht, möchte ich gleich das Ergebnis oder die Antwort erfahren, wenn es Probleme gibt, möchte ich diese jetzt sofort lösen, ...
Es fällt mir oft sehr, sehr schwer zu warten. Ich warte nicht gerne, aber ich lerne zunehmends das WARTEN zu schätzen.
Nach meinen Untersuchungen am 1 Tag als alles ins Rollen kam, wollte ich die Ergebnisse am liebsten sofort wissen, doch ich musste warten.
Mit dem Warten und Beten bekam ich Ruhe darin, noch länger als nötig zu warten. Ich hätte die Ergebnisse der Biopsie 2 Tage vor unserer standesamtlichen Trauung erfahren können, aber was hätte ich damit gemacht?
Bei positivem Ergebnis wären wir alle erleichtert gewesen, aber bei negativem hätte es uns vielleicht ganz nach unten gezogen. Wir hatten uns nach unserem ersten Schock gefasst und darum entschied ich mich zu warten und es war gut, sehr gut sogar - für alle von uns!
In der Zeit des Wartens kam eine andere Phase, in der ich wollte, dass der momentane Zustand, für immer anhalten würde. Ich wollte das Ergebnis nicht wissen. Im Moment hatte ich mich mit allem soweit arrangiert, es ging mir gut und ich wollte keine negativen Nachrichten hören. Es könnte auch gute Nachrichten sein, aber die Angst vor der negativen Nachricht und was diese dann bedeuten würde bedrückte mich manchmal.
Doch der besagte Tag rückte näher und irgendwie spürte ich Ruhe darüber und ich spürte, dass ich in Gottes Hand war, egal was kommen würde.
Und dann bekam ich die Diagnose: Brutkrebs
Danach hieß es wieder warten, warten auf die OP. Diese Zeit erlebte ich kaum als Wartezeit, so viel war zu tun, zu erledigen, vorzubereiten, für die Zeit meines bevorstehenden Krankenstandes.
Dann rückte auch dieser Tag näher und nach neuerlichen Untersuchungen und Vorbereitungen war nun der Tag der OP gekommen. Diesen Tag erlebte ich als wahren Wartetag. Ab Mitternacht durfte ich nichts mehr essen und trinken. Schon kurz nach Mitternacht, war meine Kehle schon wieder total trocken von der Luft im Zimmer oder von der Aufregung. Auf jeden Fall verspürte ich Durst.
Bei der morgendlichen Visite wurde mir mitgeteilt, dass ich wahrscheinlich erst am Nachmittag operiert werden würde. Als Überbrückung für meinen Durst bekam ich eine Infusion.
Das war WARTEN pur. Nichts essen, nichts trinken, liegen im Krankenhausbett. Ich versuchte es mit lesen und schlafen und irgenwie verging die Zeit und zu Mittag kam die erlösende Ankündigung, dass ich nun doch früher als erwartet zur OP dran kam.
Nach der OP wieder warten, warten darauf, dass ich endlich 2 Stunden danach etwas trinken und 4 Stunden danach etwas essen durfte. Nach dieser Wartezeit, die ich nun auch irgendwie überstanden hatte, schien alles andere viel leichter.
Am nächsten Tag standen wieder Untersuchungen an, warten im Wartebereich, warten auf die Untersuchungen, warten auf die Ergebnisse, warten auf Besuch, warten, dass der Tag zu Ende ging und ich bald nach Hause kommen würde.
Warten und leben. Leben und warten. Ich lerne zu leben so gut und so schön es geht während ich warte.
Am darauffolgenden Tag durfte ich endlich nach Hause.
Nun warte ich auf die neuerliche Befundbesprechung des Tumors und wie die Behandlungen weitergehen.
Ich lebe in jeden Tag hinein und versuche das Beste daraus zu machen. Ich will nicht an die weiteren Behandlungen denken und mir das Schlimmste ausmalen, die Behandlungen kommen noch früh als genug und es liegt nicht in meiner Hand, was noch nötig sein wird.
Ich warte und ich lebe. Ich lebe und erlebe schöne Tage inmitten des Wartens, inmitten des Genesens. Manchmal habe ich Angst vor dem, was noch auf mich zukommen könnte. Ich versuche nicht daran zu denken und bitte Gott darum, mir diese Angst zu nehmen.
Immer wieder darf ich Gottes Ruhe in all dem spüren und leben und warten und warten und leben.
Kommentar schreiben